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SPECIAL: Long Term Fuel Trim
oder

Wie erkenne ich einen defekten Luftmassenmesser
21. Februar 2010 (aktualisiert am 14.04.2010)

Beim Opel Speedster Turbo gibt es ein unangenehmes Thema, und zwar den Bosch-Heißfilm-Luftmassenmesser. Dieser kann kaputtgehen. Er kann auf verschiedene Art und Weise kaputtgehen. Er wird besonders häufig "ungenau", d.h. durch Verschmutzung oder Alterung ist er nicht mehr fähig, die Luftmasse so zu messen, wie er das im Neuzustand macht und gibt der Motorelektronik dann zu geringe Luftmassen aus, worauf diese im guten (aber falschen) Glauben die Einspritzmenge reduziert. Hierbei muss man wissen, dass der Turbomotor des Speedster bei Vollgas das Gemisch von "optimal" Lambda = 1.0 verlässt, nämlich deutlich "anfettet", d.h. die Motorelektronik gibt mehr Kraftstoff in die Zylinder, als für die vollständige Verbrennung eigentlich notwendig wäre. Der Hauptgrund dabei ist die Kühlung des Brennraums, da das verdampfende Benzin Wärmeenergie aufnimmt. Wird nun die Kraftstoffzusammensetzung fehlerhaft abgemagert, wird dieser kühlende Effekt geringer, die Abgastemperaturen steigen speziell bei Vollgas in ungesunde Bereiche und es kommt dann zu thermischer Zerstörung des Motors, durchgebrannte oder gebrochene Kolben, geschmolzene Ventile, zerstörter Turbolader oder Katalysator... Das alles, ohne dass der Fahrer davon etwas merken muss. Das wird umso kritischer, je stärker der Motor getunt wurde, also mit steigendem Ladedruck und steigenden Ladelufttemperaturen wird diese Gefahr immer größer!

Ein heimtückischer Fehler!

Man nimmt immer wieder gerne die Farbe des Auspuffendrohrs als Indikator, ob der Motor fett genug arbeitet. Einmal sprach mich Uwe Regelin auf meine Auspufffarbe an. Er meinte, die Endrohre seien "zu hell", diese müssten deutlich mehr Rußbelag zeigen, ich solle den Luftmassenmesser präventiv mal tauschen. Dringend. Was ich dann auch machte. Leider taugt aber die Endrohrfarbe nicht wirklich sicher zur Beurteilung, ob etwas an der Gemischzusammensetzung nicht mehr stimmt. Bei Fahrten unter hoher Last kann nämlich der gesamte Auspuff so dermaßen heiß werden, dass sämtlicher Ruß an den Wänden einfach verbrennt. Und dann kann der Auspuff zwar "trocken" aussehen, dennoch aber alles gesund laufen. Und selbst wenn man mal ein paar Stunden Landstraße fährt, überwiegend Teillast, immer nur kurze Vollgassprints an Ortsausgängen, wer will sagen, wie sehr schwarz der Auspuff von innen nun aussehen muss oder nicht? Es fehlt ein Maß dafür.


Endrohrfarbe bei defektem und neuen Luftmassenmesser

 

Wie erkenne ich aber nun einen defekten Luftmassenmesser möglichst sicher?

Dazu müssen wir ein wenig tiefer in die Technik der Gemischzusammensetzung beim Speedster einsteigen, um einen guten Lösungsweg zu finden. Die Motronic 1.5.5 beim Speedster liefert nämlich einen Messwert über die OBD-Schnittstelle, der zur Beurteilung der korrekten Funktion des Luftmassenmessers geeignet ist. Man muss nur wissen, welcher das ist und wie man diesen interpretieren muss. Stichwort: Lambda-Langzeitintegrator.


OBD-II-Diagnosegerät AGV4500

 

Die Lambdasonde
sollte doch reichen?

Wir haben im Opel Speedster ja eine Lambdasonde, genauer sogar zwei davon, da sollte es doch eigentlich möglich sein, die Gemischzusammensetzung permanent zu überwachen und den Motor vor zu magerer Abgaszusammensetzung zu beschützen. Leider gibt es dabei einen entscheidenden Haken: die Lambdasonden sind so genannte Sprungsonden! Eine Sprungsonde ist nicht fähig, verschieden magere Gemische zu unterscheiden. Sie gibt einfach gesagt einen Spannungswert in Richtung Motorelektronik aus, der lediglich aussagt, ob das Gemisch zu fett (hohe Spannung) oder zu mager (niedrige Spannung) ist, die Spannung "springt" dabei relativ scharf bei Lambda = 1.0 zwischen diesen beiden Zuständen. Eine Auswertung wie fett oder mager genau denn das Gemisch nun ist, ist mit der Sprungsonde nicht möglich, hier benötigte man eine so genannte Breitbandsonde, die haben wir aber nicht serienmäßig im Speedster.

Externer Link auf ein Diagramm des Spannungsverlaufs einer Sprungsonde
(Firma Bosch)

Es sei noch kurz angemerkt, dass die erste Sonde direkt hinter dem Turbolader und noch vor dem ersten Katalysator dazu dient, die Abgaszusammensetzung zu messen, also "fett" oder "mager", die zweite Sonde hinter den Katalysatoren als so genannte "Monitorsonde" dazu dient, die Speicherfähigkeit und damit die Funktion der Katalysatoren zu prüfen. Dies ist gesetzlich so vorgeschrieben, damit defekte Katalysatoren vom Motor selbsttätig entdeckt und über die MIL-Warnlampe angezeigt werden können.

Da wir wie bereits erwähnt nur Sprungsonden zur Verfügung haben, die Motorelektronik also schlicht nur weiß, wenn ein Wechsel zwischen "zu fett" und "zu mager" stattfindet, bedient man sich eines Tricks, um möglichst genau auf Lambda = 1.0 zu bleiben: man pendelt die Gemischzusammensetzung aus! Es wird immer abwechselnd zwischen "fett" und "mager" hin- und hergewechselt. Sagt die Sonde "zu mager", fettet die Motorelektronik etwas mehr an, sagt die Sonde dann irgendwann "zu fett", nimmt die Motorelektronik die Einspritzmenge wieder so lange zurück, bis die Sonde wieder auf "zu mager" springt. Schaut man sich mittels Diagnosetester die Sondenspannung an der ersten Lambdasonde an, kann man dieses Pendeln genau beobachten, denn die Spannung springt mehrmals pro Sekunde zwischen hoher (fett) und niedriger (mager) Spannung hin und her. Im Mittel erreicht man so recht genau die für die Abgasreinigung im Katalysator optimale Gemischzusammensetzung mit Lambda = 1.0.

Externer Link auf ein Diagramm der Sondenspannung einer Sprungsonde im Regelbetrieb
(www.kfztech.de)


Lambda-Sprungsonde vom Speedster

Was macht nun die Monitorsonde?

Die Monitorsonde liegt hinter den Katalysatoren. Da die Katalysatoren prinzipbedingt eine Sauerstoffspeicherfähigkeit besitzen, kommen die durch das "Auspendeln" des Lambdawerts messbaren Gemischschwankungen nur verzögert und deutlich schwächer bei der (der ersten Sonde baugleichen) Monitorsonde an, sie werden quasi ausgemittelt. Diese gibt also ein verzögert und erheblich schwächer ausschlagendes Spannungssignal als die erste Lambdasonde aus, sofern die Katalysatoren dazwischen noch ausreichend funktionieren. Sollten die Katalysatoren kaputt gehen (oder entfernt worden sein, oder auch ein "zu offener" Sportkatalysator verbaut sein, z.B. 100-Zeller), werden die Ausschläge an der Monitorsonde geringer verzögert und in ihrer Amplitude zu hoch, ab einem festgelegten Grenzwert wird die Motorelektronik dann einen Fehlercode erzeugen und die MIL einschalten. Und die nächste reguläre Abgasuntersuchung (AU) wird dann so nicht mehr bestanden werden können, ein Werkstatttermin notwendig.

Hier zwei Links auf eine externe Seite mit ein Darstellung der Signale beider Lambdasonden:
wenn alles in Ordnung ist
wenn der Katalysator defekt ist

(www.kfztech.de)

 

Open Loop / Closed Loop
Lambdaregelung
oder doch nicht

Noch immer sollte man denken, dass man über die Lambdaregelung verhindern können müsste, dass der Motor mit zu magerem Gemisch arbeitet. Das ist im Prinzip richtig. Aber dann müssten wir auf hohe Motorleistungen schlichtweg verzichten. Denn hier haben wir den eigentlichen Problempunkt: die höchste Motorleistung erreicht man beim Ottomotor nicht bei Lambda = 1.0, sondern etwa bei einem Wert von 0.9. Dieser ist aber wie wir oben gelernt haben, mit der Sprungsonde nicht eindeutig messbar und kann somit auch nicht ausgeregelt werden! Weiterhin haben wir gelernt, dass bei hoher Leistungsabforderung ("Vollgas") zur Abkühlung der Verbrennungstemperaturen zusätzlicher Kraftstoff eingespritzt wird. Der Lambdawert wird bei Vollgas also noch unter 0.9 heruntergedrückt, was dann zwar wieder etwas Leistung kostet, aber zur inneren Kühlung notwendig ist. Auch dies ist mit der Sprungsonde nicht eindeutig darstellbar, kann somit nicht ausgeregelt werden.

 

Wie funktioniert denn nun die Gemischregelung bei Vollgas, wenn die Lambdasonde das nicht kann?
Regelung vs. Steuerung

Einfache und für Manchen sicher überraschende Antwort: GAR NICHT! Bei hoher Motorlast wird die Lambdaregelung einfach außer Kraft gesetzt und rein nach den Motorkennfeldern gearbeitet, also quasi "blind", im Vertrauen auf Kennfelder und Fehlerfreiheit der Motorkomponenten. Dies bedeutet konkret: die Drosselklappe wird aufgerissen, viel Luft wird in den Motor gedrückt, der Luftmassenmesser gibt einen Messwert über diese Luftmasse an die Motronic und diese berechnet anhand der Kennfelder die dafür nötige Menge Kraftstoff, die eingespritzt werden muss. Die Lambdasonde gibt in diesem Bereich dann nur noch eine hohe Spannung aus, die zu nichts weiter taugt, als zu der Aussage "wir laufen FETT", aber eben nicht "wie fett denn eigentlich?". Und genau hier kann es tragisch werden: liefert der Luftmassenmesser falsche Messwerte, wird die Motorelektronik eine falsche Einspritzmenge berechnen. Ist der Luftmassenmesser "altersschwach" oder verschmutzt, wird das Gemisch so zu sehr abgemagert, die Verbrennungstemperatur steigt im Extremfall so weit an, dass der Motor thermisch zerstört wird.

Verbindet man einen OBD-Tester wie den AGV4500 mit dem Motor, kann man genau sehen, ob sich der Motor im Bereich der Lambdaregelung (closed loop - geschlossene Regelschleife) bewegt oder wir ohne Lambdaregelung arbeiten (open loop - offene Regelschleife). Man muss dazu den PID 03 beobachten. Dabei fällt dann auch auf, dass der Motor die ersten Sekunden nach dem Start immer open loop läuft, es findet dort eine für die schnelle Aufheizung des Vorkatalysators notwendige Gemischanfettung statt, man bemerkt das dann auch an einer leicht erhöhten Leerlaufdrehzahl, die nach wenigen Sekunden auf die normalen 800 Umdrehungen pro Minute abfällt, genau dann, wenn die Lambdaregelung einsetzt.


OL = open loop = keine Lambdaregelung

Wir wissen nun also, WANN es zu Problemen kommen wird, wenn der Luftmassenmesser defekt ist: bei hoher Last, also speziell Vollgasfahrten, nämlich dann, wenn die Motorelektronik ohne die Lambdasonden nur nach den Kennfeldern arbeiten muss und das Gemisch fehlerhaft abgemagert wird.

 

Und wie kann man das jetzt erkennen?

Man könnte denken, einfach mal den Messwert des Luftmassenmessers per OBD kontrollieren und dann schauen, ob der richtig anzeigt.


Anzeige Luftmassenmesser im Leerlauf, Durchsatz aktuell 3 Gramm Luft pro Sekunde

Dies hilft uns aber nicht weiter, da wir nicht wissen können, wie viel Luft nun tatsächlich gerade den Sensor passiert. Zudem ist die Anzeige hier nur auf 0.25g genau, also im Leerlauf in der Größenordnung von bis zu 8% mit Fehler behaftet. Allein schon von der Schrittweite der Anzeige. Dies ist also KEINE Lösung!

Bei der Motronic 1.5.5 haben wir aber das Glück, dass im Bereich der Lambdaregelung, also immer dann, wenn wir ruhig mit wenig Last umherfahren, die durch die Lambdasonde ermittelten Einspritzmengen mit denen verglichen werden, die von den Kennfeldern als eigentlich korrekt vorgegeben werden. Es wird also bei Teillast zwar mit der Lambdasonde auf im Mittel Lambda = 1.0 geregelt, aber gleichzeitig auch bemerkt, ob dies mit regulären oder nicht so regulären Einspritzmengen geschehen muss. Und diese Abweichungen "merkt" sich die Motronic und der versierte Nutzer kann dies prüfen. Verbindet man den oben bereits erwähnten OBD-Tester mit dem Motor und liest PID 07 aus, findet man dort den Wert

PID 07 - LONGFT1 (LONG term Fuel Trim bank 1)


Ein Langzeit-Korrekturwert von -0.8%, alles bestens in Ordnung

In diesem wird im längerfristigen Mittel abgespeichert, wie sehr die Motronic das Gemisch gegenüber den Kennfeldangaben "verschieben" muss. Die Angabe ist hier in Prozent. Ist sie negativ, muss das Gemisch eher zusätzlich abgemagert werden, ein open-loop-Betrieb also vollkommen unschädlich, aber nicht unbedingt leistungsoptimal. Ist die Angabe jedoch positiv, wird es langsam interessant, denn das bedeutet, dass bei Teillast das Gemisch immer ein wenig mehr angefettet werden muss, als das von den Kennfeldern ausgehend eigentlich angedacht war.  Und das deutet darauf hin, dass die vom Luftmassenmesser gemeldete Luftmenge zu gering sein könnte. Es könnten auch andere Fehler in der Gemischbildung vorliegen, die die Kraftstoffmenge reduzieren, aber ein defekter Luftmassenmesser wird sich eben hier auch zeigen.

Und damit haben wir die gewünschte Kontrollmöglichkeit!

Nun müssen wir nur noch wissen, wann es noch in Ordnung ist und wann dann nicht mehr, so dass man den Luftmassenmesser tauschen sollte. Als Richtwert gilt:
- Alles unter 15% ist als unkritisch anzusehen.
- Ab 15% wird unter Volllast gefährlich für den Motor, Luftmassenmesser tauschen oder anderen Fehler in der Gemischbildung finden.
- Erst ab 20% wird in der Motronic der Fehlercode P0170 abgelegt und die MIL eingeschaltet. Viel zu spät, um Motorschäden zu verhindern!

Haftungsausschluss: diese Werte sind durch Internet-Recherche ermittelt und sollten keinesfalls dazu dienen, sichere Aussagen zu treffen. Bitte fragen Sie Ihren Motorenexperten, was genau bei Ihrem Motor gilt!

 

Meine persönliche Strategie:

Spätestens alle paar Monate und somit regelmäßig per OBD-Tester den PID 07 auslesen und sobald dort ein Wert von 15% oder mehr abzulesen ist, dringend die Gemischbildung des Motors prüfen. Zumeist wird da wohl der Luftmassenmesser zu alt sein, sofern keine anderen Symptome zu bemerken sind. Aber es kann beispielsweise auch der Kraftstoffdruck zu niedrig sein, Einspritzventile verschmutzt und eine Menge mehr Möglichkeiten, denn der Messwert sagt ja nur, dass der Motor eigentlich zu mager laufen möchte.

Ein ausgetauschter Luftmassenmesser ist mit rund 200 Euro immer noch wesentlich billiger als ein neuer Rumpfmotor!

 

Anmerkung: diese Beschreibung ist nach bestem Wissen und Gewissen erstellt worden. Dennoch können sich hier natürlich Fehler eingeschlichen haben. Sollte jemandem ein Patzer auffallen, möchte er mich doch bitte darüber in Kenntnis setzen. Ich prüfe das dann gerne und Pflege dann ggfs. eine Änderung ein. Danke!

V1.2 / Stand 14.04.2010 / Dipl.-Ing. Carsten Seehawer
(Änderung von V1.1 auf V1.2: Grenzwert PID 07 von 10% auf 15% korrigiert)
(C)2010 www.lotus116.de

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